Kleine Übe-Philosophie für Hobby-Flötisten

Erstveröffentlichung: 28.7.2010

Als berufstätige Hobby-Flötistin ist es ziemlich schwierig, sich noch neue, schwierige Stücke drauf zu schaffen. Manchmal hat man gar den Eindruck, dass das gar nicht mehr geht. Einfach zu wenig Zeit, um wirklich ausführlich zu üben und noch dazu fällt es einem doch deutlich schwerer als noch als Teenager.

Fast noch schlimmer aber wird es, wenn man sich ältere schlechte Angewohnheiten und Fehler wieder wegtrainieren will. Für dieses letztere Problem gibt es aber tatsächlich Hilfen, die es erlauben, auch mit relativ wenig Zeit noch einigermaßen vorwärts zu kommen.

Zum einen ist es gerade beim Umgewöhnen sehr, sehr wichtig, dass man diese Veränderung nicht nur in dem Stück oder an der Stelle, an der der Lehrer oder die eigene Erkenntnis das Problem entdeckt hat, trainiert. Zum Beispiel hatte ich mir angewöhnt, kurze Töne auch mit der Zunge zu beenden (‚tat‘). Ursache war vermutlich, dass ich immer das Gefühl hatte, nicht wirklich kurz und schon gar nicht knackig an zu stoßen. Also habe ich mir so einen Mist angewöhnt. Das abschließende ‚t‘ schneidet den Klang ab, ‚kastriert‘ den Ton geradezu. Ganz entsetzlich….

Hingewiesen wurde ich durch meinen Lehrer auf dieses Problem (erste Stunde beim neuen Lehrer, Mozartkonzert….. und ein Schock). Als ich erst mal darauf aufmerksam war, stellte ich den gleichen Effekt natürlich überall fest. Eine Chance, eine solche üble Angewohnheit wieder wegzubekommen, hat man dann meiner Meinung nach nur, wenn man bei allem was man spielt konsequent darauf achtet und es auch gleich zu ändern versucht. In meinem Fall hieß das zum Beispiel: Trioprobe (Flöte, Klarinette und Fagott, sehr zu empfehlen…), Staccato-Stelle, mit den Tonenden kämpfen…. Auf diese Art hat man viel mehr Gelegenheit zum Trainieren. Das ist etwas anstrengend, weil man unter Umständen an noch mehr Dinge als normalerweise denken muss. Aber zum Bilden von Gewohnheiten und (noch schwieriger) zum „Überschreiben“ alter Gewohnheiten ist die Wiederholung absolut essentiell. Das heißt auch, jede Probe, bei der man Umstellungsziele aus dem Auge verliert, verfestigt die alte (falsche) Gewohnheit, und untergräbt damit die Effekte, die man sich mit Üben bei knapper Zeit erarbeitet hat.

Das Prinzip ist natürlich für jeden, der irgendetwas übt, gleich. Für Berufstätige ist allerdings die größere Effektivität und das am Ende (hoffentlich) stehende Erfolgserlebnis vielleicht noch ein wenig wichtiger. Ich habe mir jedenfalls als Schüler oder Student noch nicht so viele Gedanken über so was gemacht, sondern im Zweifelsfall einfach noch einmal mehr oder länger geübt und dann kam der Erfolg auch irgendwann. Heute ist genau die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Wiederholung ein Hauptproblem um sich schwere Stellen zu erarbeiten oder Ecken auszubügeln.

Der zweite „Trick“ zum Schaffen von Gewohnheiten ist das Üben ohne Instrument. Das heißt für mich, dass ich beispielsweise in der Bahn oder abends im Bett oder wann immer ich daran denke oder Langeweile habe, aktuelle Übethemen einfach nochmal im Kopf durchgehe. Angefangen habe ich das bei einer neuen Tonleiterübung vor vielen Jahren, die ich auswendig spielen sollte und bei der ich die Wendungen nicht richtig in den Kopf bekommen wollte. Auf dem Weg zur Arbeit bin ich also im Kopf zum einen das Notenbild „entlanggegangen“ und habe mir dann auch die Griffe vorgestellt, sozusagen die Flöte in den Händen „nachgefühlt“. Und ich schwöre, es hat geholfen.

Diese Methode geht einerseits für Technikprobleme, fürs Auswendiglernen von Stücken oder Übungen (Mozartkonzert ging auch auf diese Art irgendwann auswendig) oder auch für Details der Interpretation oder Ausführung. Im letzten Fall denke ich an das Notenbild und an die Stellen, an denen ich zu verbessern habe. Durch das Wiederholen im Geiste ist es beim Üben viel leichter an möglichst viele oder alle Problemstellen zu denken und diese gleich im ersten Durchlauf korrigiert zu spielen. Auch hier gilt ja wieder, dass jede falsche Ausführung die fehlerhafte Fährte wieder tiefer eingräbt. Und so merke ich mir z. B. seit meiner letzten Stunde eine ganze Liste von Korrekturen für Danse de la Chevre: zu Anfang die Viertel besser binden, die Punktierungen rhythmisch exakter ausführen, die Dynamik- und die Artikulationsunterschiede besser ausführen, auch die Pausen korrekt zählen…… eine endlose Liste. Aber eine, die ich im Kopf habe…. und das ist Gold wert.

Ganz nebenbei trainiert das natürlich auch einfach das Hirn und vielleicht sogar ein bisschen die Vorstellungskraft…. Effektives Üben ist also nicht unbedingt ausschließlich eine Frage der Zeit….. Ich finde das immer sehr beruhigend.

Nachtrag der Autorin aus 2024: Spannend zu sehen, was ich vor 14 Jahren geübt habe. Momentan kultiviere ich das extrem kurz Üben technischer Stellen mit Metronom. Da sind schon 5-10 Minuten am Tag ein Mehrwert. Zumal bei längerer Arbeit irgendwann bei mir Hirn und Finger aussteigen und alles immer nur schlechter wird….


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.