Diese Buchbesprechung ist für mich eine ganz besondere. Das liegt daran, dass ich dieses Buch ganz besonders finde. Und eben habe ich festgestellt, dass heute, wo ich es ausgelesen habe und diese Besprechung schreibe (auf die ich mich schon ungefähr seit Seite 5 gefreut habe), der Autor Thomas Nyfenger Geburtstag hätte (leider ist er schon über 20 Jahre tot). Irgendwie alles sehr speziell also. Mehr dazu später….
Zunächst zu den Formalien. Das Buch wurde 1986 fertig und wird vom Sohn des Autors (Paul Nyfenger) vertrieben. Bei Bestellung erhält man ein DIN A 4 Skript in Kunststoff-Spiralbindung mit Klarsichtfolien-Einbandseiten. Es umfasst etwa 150 Seiten in guter stabiler Papierqualität und steht komplett, wie der Titel ahnen lässt, in Englisch.
Nun gibt es noch ein Novum in dieser Besprechung, bevor ich über Inhalte und Details rede, muss ich meine Gesamtbewertung loswerden: für mich war das eines der besten derartigen Bücher (oder gar das beste), das ich je gelesen habe. So viel vorne weg. Ich werde versuchen, diese Meinung zu begründen.
Das Vorwort ist von Samuel Baron, dem Nyfenger in verschiedenen Positionen nachgefolgt ist (z. B. New York Wind Quintet oder Yale University). Er lobt es auch sehr, soviel zu meiner Rechtfertigung von berufenerer Seite.
Das Werk ist in drei Hauptteile gegliedert. Zunächst geht es um grundlegende Konzepte des Lernens und Spielens. Teil zwei handelt mehr von Details und Techniken und Teil drei fügt alles sozusagen zusammen, es geht ums Musizieren, kurz gesagt.
Was ist nun das Besondere? Zum einen der humorvolle Schreibstil, der mich wirklich zum Lachen gebracht hat. Der zweite wichtige Punkt ist die völlig undogmatische und pragmatische Art, in der an die Dinge herangegangen wird. Keine Glaubensregeln oder Gebote, Richtschnur sind immer die Ohren, sozusagen. Jede Art von grauer Theorie fehlt komplett. Eigentlich steht die technische Seite des Flötenspiels auch fast schon im Hintergrund. Im Mittelpunkt steht tatsächlich die Musik, wie der Titel schon sagt: „Music and the flute“, nicht umgekehrt (wie z. B. bei Scheck: Die Flöte und ihre Musik). Der Autor war ein sehr guter Beobachter, vielleicht auch ein kleiner Philosoph, ein reflektierter Mensch und ein Musiker. Das kann man auf jeder Seite spüren.
An vielen Stellen dachte ich mir, dass das nicht nur für Flötisten lesenswert ist, sondern in den Grundaussagen auch für andere Instrumentalisten viel zu bieten hätte.
Seine Ansichten über Flötenunterricht und das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler waren für mich sehr überzeugend. Die Mechanismen des Lernens, wie er sie beschreibt, halte ich für logisch und ihre Berücksichtigung beim Üben ist die Voraussetzung für eine echte Verbesserung. Das Buch ist voller persönlicher Ansichten. Es beschreibt alles, was Herrn Nyfenger bei seiner Arbeit als Flötist und Flötenlehrer begegnet ist, was ihm auffiel, was ihn beschäftigt hat.
Ich habe mich schon sehr bald bei der Lektüre darüber geärgert, dass es keine Chance mehr gibt, ihn kennenzulernen. Ich glaube, das hätte sich sehr gelohnt. Ein Kernsatz in seinem Buch ist die Aussage, das man mit jemandem studiert. Er will damit sagen, dass beide, Lehrer und Schüler profitieren und der Schüler den Lehrer nicht sozusagen „aussaugt“. Mir ist das bei meinen früheren Unterrichtsversuchen auf jeden Fall so gegangen.
Die flötistische Hauptaussage scheint mir zu sein, viel zu experimentieren, mit den Ohren zu kontrollieren, Extreme bezüglich Anblaswinkel, Luftgeschwindigkeit und Klangfarben (die daraus resultieren) zu suchen und dadurch die Vielfalt im Musizieren zu erhöhen. Alles wird in kleinen Schritten, systematisch und mit Beharrlichkeit erarbeitet (eine Eigenschaft, die mir ziemlich abgeht). Für mich war es ein sehr motivierendes Buch, das ich jetzt, nach der Lektüre, nicht ins Regal stellen werde, sondern in der Nähe meines Notenständers lasse, weil ich die beschriebenen Übungen und Techniken alle ausprobieren und auch in mein Alltagsprogramm übernehmen will.
Nyfenger gibt im letzten Abschnitt noch explizite Hinweise zur Ausführung von Debussys Syrinx und zu Andersens Etüden op. 15 (habe ich mir sofort bestellt, fehlte noch in meiner Sammlung). Außerdem schreibt er über Neue Musik, Barockmusik und Notenausgaben. Es gibt kaum ein Thema, das einen als Flötist beschäftigen könnte, das er nicht angesprochen hat.
Wer nun ungern auf Englisch liest, der kann mit etwas Geduld auf eine Deutsche Ausgabe hoffen. Herr Paul Nyfenger hat mir erlaubt, das Buch zu übersetzen (das wird etwas dauern) und dann hoffe ich, einen Verleger dafür zu finden. Ein neues Projekt, auf das ich mich extrem freue.
Super, das verbessert meine Verhandlungsposition bei den Verlagen 🙂
Danke Dir!
Viele Grüße
Claudia
Das hört sich ja gut an. Ich möchte mich dann hiermit schonmal für die deutsche Ausgabe vormerken lassen 🙂
Liebe Grüße
von
Heike