Der kleine Leinen gebundene Band ist 1965 erschienen. Der Untertitel heißt „Nachklang im Wort“ und ist damit eigentlich eine ganz gute Inhaltsangabe. Friedrich Springorum hat hier eine Sammlung von Einzeltexten herausgegeben, in denen hauptsächliche musikalische Werke beschrieben werden oder auch ihre Wirkung auf den Hörer. Um Biographien geht es dabei so gut wie nicht.
Auffällig war für mich die Art, in der die Abbildungen eingebunden sind. Fotos von Gemälden oder auch Fotografien sind an der linken Kante entlang angeklebt, hinter dem somit nach vorne abklappbaren Bild findet sich dann die Beschriftung. Ich kann mich nicht erinnern, diese Art der Bildverarbeitung in Büchern schon einmal gesehen zu haben. Wie aufwändig Buchdruck doch vor dem Zeitalter des Computers war.
Verschiedene Stiche und Titelblätter von Notenausgaben oder Programmen sind dagegen regulär auf die Buchseiten gedruckt. Die hinsichtlich der Satztechnik größte Überraschung waren für mich allerdings vereinzelte Handschriften-Faksimiles von Original-Partituren, die in das etwa DIN A 6-formatige Büchlein in Ziehharmonika-Faltung eingebracht sind. Das heißt, die Notenschrift ist auf ein ca. 2,5-fach breites Blatt (im Verhältnis zur Buchseite) gedruckt und kann nach rechts ausgeklappt werden. Wirklich toll! Das ist kein Witz, ich bin fasziniert von solchen Ausgaben-Details.
Nun zum tatsächlichen Inhalt. Die Texte stammen alle aus kompetenter Feder: von Komponisten, Dichtern, Philosophen. Kaum ein Name, der einem nicht im Ohr klingelt. Die Sammlung ist nach Themen, das heißt exakt nach Komponisten und/oder Stilepochen gegliedert. Den Anfang macht ein generelles Kapitel „Die Macht der Musik“, gefolgt von „Kirchenmusik“. Den Reigen wohlklingender Namen eröffnet im Anschluss daran, wie es kaum anders zu erwarten war, Johann Sebastian Bach. Alles weitere liest sich wie ein Who is who der Komposition:
- Georg Friedrich Händel
- Christoph Willibald Gluck
- Wolfgang Amadeus Mozart
- Joseph Haydn
- Ludwig van Beethoven
- Franz Schubert
- Richard Wagner
Zwischen Schubert und Wagner wurde ein eigener Abschnitt zu den Romantikern (Schumann, Chopin, Liszt, Paganini, Brahms) eingefügt. Abgeschlossen wird das Bändchen mit dem Kapitel „Jahrhundertwende“ und den Vertretern Bruckner, Verdi, Reger und Strauss.
Sehr gediegen also die Themen, nicht weniger die Autoren: Bettina von Arnim, Charles Baudelaire, Hector Berlioz, Ferrucio Busoni, Matthias Claudius, Claude Debussy, Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Hegel, Heinrich Heine, Johann Gottlieb Herder, E. T. A. Hoffmann, Hugo von Hoffmansthal, Jean Paul, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Wolfgang Amadeus Mozart und sein Vater, Friedrich Nietzsche, Albert Schweitzer, Ludwig Tieck, Richard Wagner…. und das ist nur eine willkürliche Auswahl.
Die Texte sind bunt gemischt aus Essays, Artikeln, Briefen, Tagebucheinträgen…. Also sowohl eigene Betrachtungen zu einem Thema als auch originäre Quellen der Musikgeschichte.
Ich muss gestehen, nach meiner letzten Sammlung von Texten fiel mir die Lektüre anfangs sehr schwer. Ich denke, neben der zeitlichen Nähe zu dem zunächst ein wenig ähnlich erscheinenden Bändchen über Bach, lag das aber auch daran, dass die ersten, sehr allgemeinen Texte mich nicht so recht fesseln konnten. Beim Weiterlesen wurde es immer interessanter und spätestens bei den Romantikern fand ich es wirklich spannend.
Es bleibt ungewohnt für mich, musikalische Werke schriftlich beschrieben zu finden. Ich gestehe, es fehlt mir die Fantasie dazu, mir die Worte dann vorzustellen, das beschriebene vor dem inneren Ohr zu hören, sozusagen. Vermutlich kenne ich dazu aber auch die entsprechenden Werke nicht gut genug (Flötenmusik war keine dabei). Die Kraft der Worte bei manchem Mann der Musik hat mich aber sehr beeindruckt. Überhaupt fand ich diese Vielfältigkeit im Ausdruck und das alte Deutsch sehr schön. Man muss sich eben ein bisschen einlesen.
Insgesamt wurde mein Lesevergnügen etwas durch die Alt-Buch-Aromen mit den olfaktorischen Überbleibseln eines Raucher-Bücherregals getrübt. Aber so ist das eben bei alten, gebrauchten Büchern. Format und Aufmachung machen deutlich, um was es sich hier handelt: ein Liebhaberbuch für Menschen, die sowohl Bücher als auch Musik zu schätzen wissen.