Das blau-rote Büchlein aus dem Verlag Dr. Kovac heißt mit komplettem Titel „Die frühen Querflötenschulen und ihre musikhistorische Einordnung“. Es handelt sich dabei um die Dissertation von Wolfram Sauter aus dem Jahr 1997. Die ISBN-Nummer ist 3-86064-699-0. In der Reihe „Schriften zur Kulturwissenschaft“ ist dies der 16. Band.
Von außen ist nicht ersichtlich, dass es sich um eine Dissertation handelt, ich konnte es jedoch schon nach Lektüre weniger Seiten irgendwie merken, dass es wohl eine sein müsste. Solche Arbeiten haben irgendwie einen eigenen Stil, vielleicht nur aufgrund der für den Autor ungewohnten Formulierarbeit.
Das Inhaltsverzeichnis umfasst folgende Abschnitte:
- Vorwort (hier ist einer Fussnote auch zu entnehmen, dass es sich um eine Dissertation bei Prof. Theodor Göllner handelt)
- Die historischen Instrumente und ihr Repertoire
- Die „Principes de la Flûte Traversiere“ von Jacques Hotteterre „le Romain“ (Paris 1707)
- „L’Art de Preluder sur la Flûte Traversière“ von Jacques Hotteterre „le Romain“ (Paris 1719)
- „The Modern Musick-Master“ von Peter Prelleur (1731)
- Die „Methode sur la Flute Traversiere“ von Michel Corrette (Paris 1740)
- Die frühen Querflötenschulen im Vergleich
- Literaturverzeichnis
Das Vorwort ist für die gesamte Arbeit wichtiger, als der Titel vielleicht vermuten lässt. Hier wird sozusagen der Bewertungsmaßstab für die betrachteten Flötenschulen dargestellt. Sauter definiert zehn Lernbereiche, die aus heutiger Sicht für den Flötenunterricht unerlässlich sind. Das sind zum einen die zu erwartenden technischen Aspekte von Ansatz über Haltung und Atmung bis zur Fingertechnik, die darauf aufbauenden musikalischen Elemente Klang, Artikulation, Phrasierung etc., aber auch theoretische Themen wie Akustik und Musikgeschichte.
In der späteren Auswertung (die frühen Querflötenschulen im Vergleich) wird ebenso wie am Ende der einzelnen Betrachtung die Abdeckung der einzelnen Themen und deren Gewichtung innerhalb des Schulwerks (in Anzahl der Seiten) dargestellt.
Wie es sich für eine Dissertation gehört, ist das Büchlein (übrigens ca. DIN A 5 Format und ca. 180 Seiten) voller Fußnoten. Bei den Kapiteln zu den einzelnen Schulen finden sich hier vor allem die französischen Originaltexte der zitierten Stellen.
Die Betrachtung der Schulen erfolgt entlang deren eigener Gliederung. Dabei werden bei den Abschnitten mit Übungsstücken auch viele Notenbeispiele gegeben. In diesen Kapiteln gibt der Autor ausführlichste harmonische Analysen und Strukturbetrachtungen zu den kleinen Stücken. Die Analysen dienen teilweise dazu, den Umgang mit Tongeschlechtern herauszuarbeiten (es handelt sich um die Zeit kurz nach dem Wechsel von den Kirchentonarten zur Dur-Moll-Tonalität). Der Autor versucht außerdem, unerwartete oder untypische Wendungen mit didaktischen Zielen zu erklären. Bei der Lektüre waren die seitenlangen Analysen allerdings eher unübersichtlich und schwer zu lesen und der Sinn erschloss sich mir nicht so ganz spontan.
In einer Kurzzusammenfassung kann man festhalten, dass eigentlich alle von Hotteterres Principes abgeschrieben haben, teilweise fast wörtlich. Überraschend aus heutiger Sicht ist auch, dass das Thema Atmung in diesen frühen Schulen überhaupt nicht stattfindet (obwohl das ja der Sprit für die Flöte ist). Auch an anderen Stellen unterscheiden sich die Empfehlung teils erheblich von heutigen Vorstellungen (was kaum überraschen kann, bedenkt man die physiologischen Kenntnisse, den Geschmack der Zeit und die gespielten Instrumente).
Leider fehlt der „Versuch einer Anweisung“ von Quantz, obwohl nur ca. 50 Jahre jünger. Vermutlich ist dieses Werk schon so oft analysiert worden, dass es für eine Dissertation nicht mehr taugt. Oder aber die 50 Jahre Unterschied nehmen es aus dem Kreis der „frühen“ Schulen heraus (unwahrscheinlich, das das Werk von Corrette 1740 erschien).
Besonders viel Input für meinen eigenen Umgang mit Flöte und Unterricht habe ich aus der Lektüre nicht bekommen. Das Literaturverzeichnis werde ich vielleicht noch bezüglich interessanter Neuanschaffung auswerten.