Das höchste Gut eines Musikers

Ja, was ist das wohl. Was ist an einem Mitmusiker das Wesentlichste? Vielleicht Musikalität, das Gehör, Rhythmusgefühl, gute Technik, Blattlesen? Ich glaube nicht. Auf meiner Hitliste steht ganz oben Zuverlässigkeit. Wenn man etwas zugesagt hat, dann muss das auch durchziehen. Oder es gibt wirklich wesentliche Gründe, oder man sorgt selbst für Abhilfe.

Klar, jedem kann mal was dazwischen kommen. Das ist ganz menschlich und vor allem für alle die, die noch einen anderen Job, eine Familie und sonstige Verpflichtungen haben, oft nicht zu vermeiden. Ich habe auch schon Proben absagen müssen wegen Dienstreisen oder auch wegen anderen Proben oder Konzerten, die einfach nicht zu verschieben waren. Das meine ich auch gar nicht. Wichtig finde ich einfach, es muss rechtzeitig abgesagt werden und irgendwie muss es auch ein Grund sein, den ich nachvollziehen kann.  Natürlich muss man auch die Reißleine ziehen, wenn man auf einen stressbedingten Zusammenbruch zusteuert oder die Gesundheit leidet.

Es gibt eine natürliche Prioritätenliste. Am wichtigsten sind natürlich Konzerte. Da würde ich eventuell noch abstufen, zum einen ob es eventuell Gage gibt oder nicht und zum anderen, um welche Besetzung es geht und wie verzichtbar oder ersetzbar man dann ist. Das heißt, wenn ich irgendwo Flöte und Orgel zugesagt habe (ohne Gage) und ich bekomme ein Angebot für Gage beim Blasorchester auszuhelfen, wo schon zwei Flöten sitzen, dann muss ich leider die Mugge mit Gage absagen. Es geht also um eine Mischung aus Reihenfolge der Zusage, Verzichtbarkeit und auch ein bisschen ums Geld. Ich würde eine bezahlte Mugge nicht absagen, wenn irgendjemand möchte, dass ich für ihn aus Freundschaft irgendwo was spiele. Außer vielleicht das wäre musikalisch besonders interessant oder es handelte sich um einen echten Notfall und einen wirklich guten Freund.

Proben liegen in der Priorität natürlich ein ganzes Stück hinter Konzerten. Bei Proben untereinander haben solche Vorfahrt, für die es Gage gibt oder bei denen man eine Stimme ganz alleine spielt oder diejenigen, die ganz alleine ein Konzert vorbereiten. Ansonsten gilt auch hier wieder: wer zuerst kommt, der mahlt zuerst. Ein erschwerender Faktor für eine Absage wäre auch wenn andere von meinem Kommen direkt abhängig sind, weil ich jemanden mitnehmen muss oder wenn jemand anders einen Termin extra freigeschaufelt hat, dann sage ich auch nicht kurz davor wieder ab, wenn ich nicht muss.

Irgendwie hat das auch was mit gegenseitiger Achtung zu tun. Wir alle organisieren uns und verzichten auf andere Dinge, um die musikalischen Tätigkeiten zu ermöglichen. Das klappt nur, wenn das alle machen. Ganz deutlich wird das auch bei der vorlaufenden Terminsuche. Wenn im Ensemble zu viele Kollegen alles mögliche andere wichtiger finden als einen Probentermin oder noch schlimmer einen Konzerttermin, dann kann ich prophezeien, es wird nie zu einem Konzert kommen. Vor allem auch dadurch, dass es ansteckend ist, wenn für einen alles mögliche Vorfahrt vor dem Ensemble hat, schnell werden auch andere Gruppenmitglieder wichtigeres zu tun haben und bald spielt man nur noch einmal im Quartal. So eine Entwicklung ist schwer zurückzudrehen. Und sie kann übrigens leicht auch ein Zeichen dafür sein, dass irgendwas anderes im Ensemble nicht stimmt. Vielleicht mögen sich die Mitglieder nicht, oder das Repertoire gefällt nicht, die musikalischen Wünsche gehen auseinander, oder, oder, oder…

Der Weg zur Musik führt irgendwie auch über den Verzicht auf andere Dinge. Gleiche Prioritäten bei allen machen es leichter und sind vielleicht sogar wichtiger als oder zumindestens gleich wichtig wie gleiche musikalische Leistungsfähigkeit. Lieber habe ich einen schlechteren Mitmusiker, der zuverlässig da ist und sich auch darum bemüht, Möglichkeiten wahrzunehmen, als einen Super-Instrumentalisten, der dafür alle Nase lang kurzfristig absagt oder mit dem man gleich überhaupt keinen Termin findet.

Das ist natürlich (wie immer) nur meine ganz private Meinung, die ich aus aktuellem Anlass jetzt mal eben raus lassen musste.

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